Gedenken an Opfer der Hexenverfolgung
Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in geeigneter Form durch einen Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung, die in Leipzig der Hexerei angeklagten und ermordeten Menschen symbolisch zu rehabilitieren und einen Ort des Gedenkens im öffentlichen Raum zu schaffen. Die Stadt Leipzig verurteilt die Gewalt, die an diesen Frauen und Männern begangen wurde. Sie gedenkt der Opfer, rehabilitiert sie öffentlich und gibt ihnen damit heute im Namen der Menschenrechte ihre Würde zurück.
Begründung:
1479 wurde eine Frau, genannt die Slezieryn, durch das Stadtgericht Leipzig verurteilt zu Staupe-Schlägen, Brennen durch die Wangen und anschließend der Stadt verwiesen. Die ihr vorgeworfene strafbare Handlung lautete: Zauberei. Ihr Prozess war der erste z.Z. bekannte Prozess zu Hexerei/Zauberei in Leipzig.
Im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 erarbeitete der „Arbeitskreis zur Aufarbeitung der Hexenverfolgung in Leipzig/Sachsen“ eine Ausstellung zum Thema www.hexenprozesse-leipzig.de, denn zur Geschichte Leipzigs und der Region gehört auch die Geschichte der Hexenverfolgung (1450 bis 1750). Doch gibt es um diesen Teil der Stadtgeschichte bis heute nur wenig öffentliche Reflektion und wenig öffentliches Bewusstsein.
In der Stadt Leipzig wurden in der Zeit von 1479 bis 1730 nach momentanem Wissensstand 25 Prozesse zu Hexerei durchgeführt. Dass sehr wahrscheinlich mehr Urteile gesprochen und vollstreckt wurden, begründet sich in dem Zustand der Quellenlage. Allein zum Leipziger Schöffenstuhl (Obergericht des Kurfürstentums und Königreichs Sachsen; 1574 – 1835) existierten ursprünglich 700-800 „SpruchkonzeptBände“. Diese in Buchform zusammengefassten Gerichtsurteile dokumentieren auch die für Zauberei- und Hexerei-Prozesse relevanten Urteile – doch es existieren nur noch 14 dieser Bände. Im Vergleich: Vom Wittenberger Schöffenstuhl sind für den Zeitraum von 1530-1700 noch 211 Spruchkonzept-Bände nutzbar. (Manfred Wilde, Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003)
Aus heutiger Sicht sind die wegen Hexerei verurteilten Frauen und Männer im Sinne der Anklage für unschuldig zu erklären. Doch die Opfer der Hexerei-Prozesse sind nie rehabilitiert worden, sie gelten bis heute als „schuldig im Sinne der Anklage“ – nach Lage des damals gültigen Rechtssystems. Auch wenn die Stadt Leipzig nicht Rechtsnachfolgerin der damals politisch und kirchlich Verantwortlichen ist, so besteht dennoch eine ethische Verpflichtung gegenüber den unschuldig verfolgten und hingerichteten Opfern der Hexenverfolgung während des 15. bis 18. Jahrhunderts.
Die Gründe der Hexenverfolgung waren vielfältig. Beteiligt an der Verfolgung waren kirchliche und weltliche Kräfte. Es traf jüngere und ältere, reiche und arme Menschen; Frauen, Männer und Kinder. Die Hexenverfolgung ermöglichte es, sich „unliebsamer Menschen zu entledigen“ bzw. diese durch Verfolgung und Machtausübung zu disziplinieren. 80% der Opfer waren Frauen – und die Folgen der Hexenverfolgung reichen bis ins heute. Das „Bild der Frau“ nach Beendigung der Hexenverfolgung war ein anderes als zuvor; ihre gesellschaftlichen, familiären, reproduktiven und beruflichen Rechte waren weitestgehend eingeschränkt bis verlorengegangen. Hier traten Veränderungen zum positiven erst seit Beginn der Frauenbewegung(en) ein.
Es ist wichtig, eine öffentliche Erklärung zu diesen Tatsachen abzugeben, da auch in der Gegenwart Feindseligkeiten und Vorurteile gegen Menschen zu ihrer gesellschaftlichen Ächtung und Ausgrenzung führen bzw. offene Diskriminierung und Diffamierung von Einzelnen oder Gruppen noch heute zu Gewalt und Verfolgung führen.
Die Stadt Leipzig hat mit solch einer Erklärung die Möglichkeit, ein symbolisches Zeichen gegen menschenverachtende Gewalt zu setzen.
In über 50 Kommunen Deutschlands hat sich der jeweilige (Stadt)Rat entschieden, die Opfer der Hexereiprozesse zu rehabilitieren. Da dies juristisch nicht möglich ist, in moralisch-ethischer Form. Zu diesen Städten gehören u.a. Köln, Lutherstadt Wittenberg und Dortmund.
Ebenso gibt es Stellungnahmen der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) – u.a. 2016 durch Dr. Heinrich Bedford-Strohm. Und auch Papst Franziskus benannte im April 2016 erstmals dies jahrhundertelang begangene Unrecht.
Der Beirat für Gleichstellung fordert deshalb, eine moralische Rehabilitierung der Opfer der Hexenprozesse, um den durch die Hexenprozesse in Leipzig verfolgten und hingerichteten Frauen, Männern und Kindern ihre Würde zurückzugeben – und einen Ort des Gedenkens im öffentlichen Raum zu schaffen.
Leipzig, 10. September 2018
Beschluss der Leipziger Ratsversammlung vom 13.03.2019
Die Stadt Leipzig setzt mit einer Gedenktafel für die Opfer der Hexenverfolgung ein Zeichen gegen menschenverachtende Gewalt. Als Ort des Gedenkens wird das Gebäude des Alten Rathauses oder dessen Umfeld geprüft. Abstimmungsergebnis: mehrheitlich angenommen bei vier Gegenstimmen und keiner Enthaltung.